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Sonntag, 6. Juni 2010

Ich starb durch deine Worte in deinen Armen…

Ich hörte eine Woche nichts von Frank. Keine Nachricht, kein Anruf. Irgendwann schrieb ich ihm: „»So, mach Platz in deiner Wohnung, ich werde kommen!“«
Komischerweise dauerte es keine fünf Minuten, bis die Antwort von ihm kam: „» Hallo du, wir sollten vorher darüber noch mal reden, denke ich!“«
Ich setzte mich auf mein Sofa und las die SMS immer und immer wieder. Das klingt aber komisch, dachte ich.
Am Abend telefonierten wir, als wäre nie was gewesen. Ich erzählte ihm von der Feier und dann irgendwann von meinem Termin in der Klinik. Er fragte mich, weshalb ich wieder in die Klink müsste und warum nach Düsseldorf? Ich sagte ihm, dass ich den Arzt kennen und ihm vertrauen würde. Ich wolle endlich wissen, was mit mir nicht stimmt. Ich erzählte ihm auch, dass der Verdacht auf Leukämie bestehe. Stille.
„»Hallo, bist du noch dran?“«
„»Ja, bin ich. Seit wann weißt du das? Warum hast du nichts gesagt? Ich wünsche dir alles Gute und Kraft!“«
„»Hallo? Es besteht nur der Verdacht, ich muss noch nicht sterben.“«

Nach diesem Telefonat verging eine Woche. Eine lange Woche, in der sich die Gedanken „»Frank“« & „»Krankenhaus“« abwechselnd die Hand gaben. Der Zustand, die Angst, dieses Hin- und Hergereiße machten mich fertig. Es zerfraß mich, in kleinen Stücken, und ich wusste nicht mehr, was schlimmer für mich war? Sterben … oder sterben …?
Ich saß spät am Abend noch im Büro, als ich die Email von Frank bekam:
“»Wir müssen reden, es gibt was zu sagen!“«
„»Wir müssen reden … es gibt was zu sagen“«, las ich sie mir noch mal laut vor. Wieder dieses Stechen in der Herzgegend.
„»Wann hast du denn Zeit und worum geht es?“«
Er antwortete: “»Nächste Woche, ich komme zu dir.“«
„»Gut, und worum geht es?“«
Ich bekam keine Antwort. Ich versuchte ihn telefonisch zu erreichen, aber er ging nicht ans Telefon. Ich schrieb ihm, dass ich wissen möchte, was los ist, und er endlich mit mir reden solle. Aber es kam nichts zurück. Ich rief meine Schwester an. Mir war klar, was er sagen wollte. Sie versuchte mich zu beruhigen, aber diesmal gelang es ihr nicht!

Ich fuhr nach Hause, wie betäubt. Es quälten mich die Fragen und dass ich keine Antwort darauf bekam. Ich zog mich zurück, wollte nichts hören und sehen. In mir stieg die Wut hoch. Was zum Teufel bildet dieser Mensch sich ein? Erst ließ er nichts von sich hören und dann machte er per Mail einen Termin fest und verschwand wieder im Untergrund!
Eine Woche sollte ich nun warten? Der spinnt doch. Ich schrieb ihm meinen Frust per SMS, aber es kam nichts zurück.
Nach dem Wochenende zählte ich nicht mehr die Tage, sondern die Stunden. Ich fuhr ins Büro und besuchte die Kunden. Mein letzter Kunde an diesem Tag wohnte in Pinneberg, das lag direkt auf dem Heimweg. Ich freute mich schon auf den Feierabend. Auf dem Heimweg bekam ich eine Nachricht auf mein Handy. Sie war von Frank, er wollte mich heute schon sehen. Na toll, dachte ich. Zwei Tage früher als geplant. Okay, ich schrieb ihm, dass ich gegen 21 Uhr zu Hause sein würde.
Mein Magen verdrehte sich und in meinem Kopf waren ganz viele Fragen. Ich parkte mein Wagen direkt vor meiner Tür, Frank war noch nicht zu sehen. Ich machte mir einen Cappuccino und rauchte eine nach der anderen.

Dann sah ich die Scheinwerfer von seinem Wagen. Mein Herz schlug bis zum Hals. Ich ging erst zur Tür, als er klingelte, und stand nicht schon wartend, lächelnd in der Tür, um ihn zu empfangen. Ich öffnete und unsere Blicke trafen sich. Bingo, wieder voll ins Herz. Er lächelte und umarmte mich. Er gab mir einen Kuss auf die Wange, was mir alles sagte. Wir gingen ins Wohnzimmer. Während er mich fragte, wie es mir ging, zündete ich die Kerzen an. Ich sagte ihm, dass es mir nicht besonders gut ging, wenn er sich einfach nicht meldete, und dass die Art und Weise mir überhaupt nicht gefiel! Ich sagte ihm, dass ich stinksauer war! Dabei drehte ich mich zu ihm um und bemerkte den erschrockenen Blick. Ich setzte mich zu ihm und er sah mich an. Ich war unerwartet cool und hatte mich gut im Griff.
Er holte Luft und fragte mit ruhiger Stimme, was ich für ihn empfinden, was ich über uns denke und wie ich mir unsere Beziehung vorstelle würde. Ich sah ihn eine Weile an, bevor ich antwortete. Ich hatte mir fest vorgenommen, diesmal ganz offen und ehrlich zu sagen, was er mir bedeutete. Ich wollte alles beim Namen nennen, nicht wieder ausweichen!
Ich lehnte mich zurück und holte tief Luft. Dann sah ich an und zeigte ihm meine Seele. Ja, klingt komisch, aber ich öffnete mich und erzählte und sagte ihm alles, was mich belastete, freute, dass ich ihn vermisste und bei ihm sein wollte. Ich sagte ihm auch, was er mir bedeutete. Dann fing er an zu weinen. Ich sah ihn an, fragte, weshalb er jetzt weinte. Mit gesenktem Blick antwortete er:“ »Weil ich ein Arschloch bin!“«
„»Bitte? Was meinst du damit? Warum sagst du das?“«
Er sah mich an. Die Tränen liefen ihm übers Gesicht. Er holte Luft und sagte: „»Ich bin ein Arschloch, weil ich in zwei Wochen mit einer anderen Frau nach Nizza fliege!“«

Ich sagte nichts mehr, sah ihn nur an. Der Knall rauschte in meinen Ohren … Das, was er sagte, hallte nach, immer und immer wieder. „»Mit einer anderen Frau? Was soll das? Was erzählst du mir hier? Sag mir, dass das nicht stimmt!“«
Er sah mich an und weinte noch immer. „»Doch, Chiara, ich fliege mit ihr nach Nizza!“«
„»Wer ist das? Ist es Kirsten? Woher kennst du sie, seit wann?“«
Mir fiel der Traum ein, den ich im August hatte. Ich hatte das Gefühl, ich bekomm keine Luft, ich sprang auf und lief nach oben ins Schlafzimmer. Dort sah ich aus dem Fenster und rannte runter in die Küche. Ich musste laufen, keine Ahnung, wohin, einfach nur vor dem Schmerz weglaufen. Auf dem Weg ins Wohnzimmer stolperte ich über seine Schuhe. Wie von Sinnen nahm ich sie und feuerte sie quer durchs Wohnzimmer. Ich glaube, ich hatte ihn getroffen.
„»Raus, ich gebe dir jetzt drei Sekunden, um das Haus zu verlassen!“«
„»Chiara, warte bitte. Lass mich erklären!“«
„»Raus, halt den Mund, ich will nichts mehr hören. Geh einfach!“«

Er stand auf, und während er ging, versuchte er, sich die Schuhe anzuziehen. Ich nahm seinen Rucksack und warf ihm den hinterher. Dabei flogen Zahnbürste und Klamotten raus. Ich traute meinen Augen nicht, hatte er sich etwa eingebildet, dass er über Nacht bleiben durfte, nachdem er mir so was erzählt hatte?

Er stand in der Tür und sah mich an: „»Chiara, bitte. Lass uns reden.“«
Ich drückte die Tür zu und ihn damit aus meinem Haus raus. Dann lief ich ins Wohnzimmer, weinte und schrie, aber der Schmerz ging nicht weg. Ich setzte mich neben die Haustür auf die Treppe. Ich rief meine Schwester an, aber es lief nur der AB. Durch das kleine Fenster in der Diele konnte ich Frank in seinem Auto sehen. Seinen Kopf stützte er am Lenkrad ab. Ich ging raus zum Wagen und riss die Beifahrertür auf.
„»Du sollst fahren, hab ich dir gesagt! Geh, hau ab!“«
Er weinte noch immer . Dann startete er den Wagen und fuhr ganz langsam an, sah mich an und sagte:“ »Ich kann es nicht, ich kann jetzt nicht fahren!“«

Ich drehte mich um und ging zurück ins Haus. Ich weinte, konnte es nicht stoppen. Der ganze Körper schüttelte sich.
Ich hatte so viele Fragen, aber seine Nähe konnte ich nicht ertragen. Der Schmerz bohrte sich ganz tief …

Als ich aus dem Fenster sah, war er nicht mehr da. Er war gefahren. Nun packte mich die Angst. Ich schickte ihm böse SMS hinterher. Dann eine liebe, dann rief ich ihn an. Fragte, wo er sei. Er sei auf der Bundesstraße Richtung Rendsburg. Ich sprang ins Auto fuhr ihm nach.
Ich raste wie eine Irre hinter ihm her, schrieb eine SMS, dass er warten sollte.
Wir trafen uns in tiefer Nacht auf der Bundesstraße. Ich parkte hinter seinem Wagen und wartete. Er stieg aus und kam ganz langsam auf mein Auto zu. Wir sahen uns durch die Autoscheibe an. Dann stieg er ein. Wir sahen stumm aus dem Fenster, unsere Tränen waren leise. Ich versuchte, einen Satz zusammenzustellen, was mir aber nicht gelang. Es kam nur das Wort „»Warum“« über meine Lippen.
„»Ich weiß es nicht, Chiara. Vielleicht, weil ich feige bin, ich vielleicht Angst habe vor der Verantwortung für deine 4 tollen Mädchen? Ich weiß es doch auch nicht. Wenn ich doch nur mehr Zeit gehabt hätte. Diese blöde Nizzareise. Warum muss sie ausgerechnet jetzt sein?“« Ich schüttelte den Kopf, verstand nicht, was er mir damit sagen wollte. Irgendwie verstand ich überhaupt nichts mehr.

Wir standen eine Weile am Straßenrand. Aber es änderte nichts an der Situation. Ich fuhr wieder nach Hause. Schlief die ganze Nacht nicht. Wirr schickten uns mehrere SMS, und er schrieb immer wieder: “»Es ist noch nicht zu Ende, nichts endgültig!“«

Am nächsten Tag fuhr ich ins Büro. Ich sah nach der Nacht nicht gerade aus wie das blühende Leben. Ferngesteuert setzte ich mich an meinen Schreibtisch. John sah mich an, und als er wissen wollte, was los sei, fing ich an zu weinen und erzählte ihm alles ohne einen Namen zu nennen. John schickte mich nach der Mittagspause nach Hause. Ich fuhr auch, aber nach Flensburg. Ich schlich um seine Wohnung in der Hoffnung, dass ich „»SIE“« sehen würde. Dann rief ich Andi an. Er wohnte seit kurzem in Flensburg. Ihm weinte ich die ganze Nacht die Ohren voll. Den Morgen danach fuhr ich wieder nach Hause.

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